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Chronisch Krank sein bedeutet

Was bedeutet es chronisch Krank zu sein?
Die wenigsten Menschen wissen es. Verstehen es auch nicht, zeigen keinerlei Empathie den Betroffenen gegenüber. Oft einfach aus Unwissenheit. Es gibt da auch keine allgemeine Erklärung, da jede chronische Erkrankung anders ist. Nicht jeder hat Verständnis. Es gibt da auch nicht den Regelfall. 
Warum schreibe ich darüber? Ich bin mal wieder an meine Grenzen gestoßen. Vor etwa einer Woche. Alle Reserven waren verbraucht oder um es mit der Löffeltheorie zu beschreiben: Alle Löffel sind verbraucht.
Die von heute, morgen und wahrscheinlich auch von übermorgen. 
Wie zeigt es sich? Ich bin einfach erschöpft und müde (ohne etwas offensichtlich anstrengendes zu leisten), ich bekomme schwer Luft (alleine Atmen ist anstrengend) mein Ruhepuls ist erhöht (weil ich mich sehr anstrengen muss) meine Muskulatur spannt, ist total verhärtet (vor allem in den Beinen und im Rücken/Nacken). 
Dies sind "normale" wiederkehrende Symptome meiner chronischen Erkrankung.
Und da ich arbeiten gehe und es immer mal wieder vorkommt, dass es mir so geht, melde ich mich dann auch Krank.
Häufig auch "nur" mal einen Tag. Oft reicht dieser, um wieder Kraft zu tanken. Was von außen sicher komisch aussieht, "warum nur einen Tag?" Und natürlich die Standardfrage: "Und bist du wieder Gesund?" Love it!
NEIN! Gesund werde ich nicht!
Nicht in diesem Leben...
Als chronisch kranker Mensch musst du mit deinen Reserven Haushalten, Abstriche machen.
Auch auf viel verzichten, Prioritäten immer wieder neu setzten.
Allein mein Job ist wie Leistungssport für mich, trotzdem muss ich alltägliche Dinge wie Kochen, Waschen den Haushalt, eben erledigen. Plus Arztbesuche und Therapien. Die super wichtig sind! Allerdings möchte man ja auch noch Freizeitaktivitäten nachgehen. Freunde treffen, ins Kino gehen, Konzerte besuchen. Aber auch mein Job ist mir sehr wichtig, ich übe ihn sehr gerne aus. Egal wie anstrengend es.
Aber es sind die Kommentare wie: "Nimm dir doch Urlaub, wenn du erschöpft bist!" die mich zweifeln lassen. Ist der 1. Arbeitsmarkt was für chronisch Kranke? Ist er so weit? Wird er irgendwann so weit sein? Oder ist es normal sich doch immer wieder rechtfertigen zu müssen. Weil dazu wird man gebracht mit diversen Kommentaren.
Oft merke ich meine Einschränkungen den Kollegen gegenüber nicht, aber dann doch ziemlich stark.
Vielleicht muss man da, dann doch schlagfertiger werden. Ein dickeres Fell bekommen.
Aber es kommen ja auch wieder die besseren Tage, so wie im Moment.
Es ist alles wieder ok, ich fühle mich gut.
Nur regen die Situation, immer wieder zum Nachdenken an...

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Kommentare: 2
  • #1

    Florian (Dienstag, 01 September 2020 10:28)

    Hallo, ich weiß nicht welche Erkrankung du hast. Ich habe MS und bei mir ist es so, dass genau solche Erlebnisberichte wie die von dir beschriebenen (ohne, dass ich dir jetzt eine Absicht unterstelle) noch mehr zweifeln lassen, als ohnehin schon. Nicht nur was das berufliche angeht, wovon ich auch ein Lied singen kann, sondern alle Lebensbereiche.
    Ich möchte es dir erklären, auch wenn es etwas umfangreicher wird. ;)
    Kurz zur Erklärung: Ich konnte noch nie in meinem Leben bisher einer festen geregelten Arbeit nachgehen. Ich weiß nicht wie sich das anfühlt.- Meine Erkrankung kam gerade in einer Phase in der ich beruflich, hätte voll durchstarten können. (Endlich das gefunden, was mir wirklich Spaß macht, Aussicht auf Festanstellung bei einer bekannten Firma etc.)
    Ich hatte zuvor eine extrem langwierige und äußert unerfolgreiche Bewerbungsphase hinter mich gebracht, obwogl die MS da noch gar kein Thema war...
    Das war kurz vor meinem 20. Geburtstag Seitdem ist eine ewig lange Zeit vergangen, in der ich absolut gar nichts machen konnte, da ich aufgrund etlicher Schübe und vor allem ständiger Medi-Neueinstellungen zu beschäftigt war, sowohl zeitlich als auch pysisch/psychisch. Unterm Strich stehe ich jetzt mit 26(!) am Nullpunkt. Bin auf dem Stand eines 16jährigen der gerade von der Schule kommt. Alle anderen in meinem Alter sind schon so viel, viel weiter wie ich, sowohl beruflich als auch privat. Kannst du das nachvollziehen? Ich denke nicht...
    Freunde gibt es bei mir keine. Auf die Familie kann ich auch kaum bauen. Freund/in war selbstredend erst recht kein Thema.
    Früher habe ich mich nicht getraut etwas anzufangen, weil ich Angst vor Abwertung hatte. Mittlerweile bin ich einfach zu resigniert, denn ich fühle mich auf allen Ebenen zu abgehängt und dementsprechend unvollständig.
    Vor allem aber kann ich es nicht annehmen, mir vorstellen zu müssen, wie es ist und dabei ist es egal ob beruflich oder privat, dass jeder der mir bisher begegnet ist, weiter war als ich. In allen Lebensbereichen die es da so gibt. (verdient gutes Geld, hatte schon mal geküsst, oder gar Sex, hat ein solziales Umfeld etc.) Das macht mich phasenweise sehr sehr traurig/wütend/manchmal sogar lebensmüde.
    Ich nenne das für mich "Lebens-entrücktheit".
    Ich bin für andere (Menschen die bisher das glück hatten, ein "normales" gesundes, unaufgergtes Leben gelebt haben durften) mittlerweile so weit "entrückt", dass die mich nicht verstehen und ich sie nicht. Weißt du was ich damit meine?
    Wie schrecklich sich das anfühlt, kann keiner verstehen, der nicht schon selbst in so einer (ähnlichen) Situation war.
    Ich weiß nicht was du darüber denkst, aber das musste jetzt einfach mal raus. Wobei du ja trotz oder gerade wegen deiner Erkrankung Glück im Leben zu haben scheinst. Ich hoffe du schätzt das.
    Grüße
    Flori

  • #2

    Lela (Dienstag, 01 September 2020 21:18)

    Hey!
    Dieses Kommentar ist als kleine Antwort an Florians. Ich will ihn/sie/* nicht angreifen, aber ich möchte dieses Kommentar auch nicht als einziges hier stehen lassen.

    Lieber Flori/ Florian,
    Ich finde dein Kommentar am Ende etwas unangemessen.
    Ich kenne dieses Gefühl in allem hinterher zu hängen. Ich bin wahrscheinlich seit meinem 10. Lebensjahr chornisch krank und man verpasst so viel, wenn man die Jugendzeit zu Hause verbringt. Dadurch, dass ich meine Diagnose auch erst zehn Jahre später bekam, war es jahreland dieses "Du versuchst es nur nicht genug" etc. Ich hatte mit 17 meine ersten richtigen Freunde. Wenn man scheinbar "grundlos" allem hinterherhängt, verliert man die Hoffnung.
    Trotzdem hat sich Autorin hier geöffnet und auch wenn du dich damit nicht identifizieren kannst, können das vielleicht andere Leute mit chronischen Erkrankungen. Als chronisch kranke Person hat man immer dieses Gefühl. "Alle" sind gefühlt weiter als man selbst. Man findet immer Dinge, die alle anderen besser oder mit weniger Anstregung machen als man selbst.
    Trotzdem: Jemandem zu sagen, dass man sich glücklich schätzen soll, wenn es einem schlecht geht oder man von etwas berichtet, was einem belastet, ist echt scheiße. Gerade chronisch kranke Leute sind daran gewöhnt, dass man ihre Probleme und Symptome regelmäßig runterspielt. Wir wissen wie sich das anfühlt. Wäre es dann nicht besser, wenn man solche Kommentare einfach unterlässt oder wo anders Frust rauslässt?
    Menschen ertrinken sowohl in Pfützen als auch im Meer. Es ist kein Wettbewerb und gerade in der Community von chronisch kranken Leuten, sollten wir uns unterstützen anstatt die gleichen Floskeln zu nutzen, die wir von nicht chronisch kranken hören.
    Wenn es dich psychisch belastet solche Artikel zu lesen, was ich nachvollziehen kann, dann lies sie nicht. Such dir andere Artikel von stärker betroffenen Leuten. Oder schreibe solche Kommentare in Zukunft auf einen eigenen Blog ohne auf spezielle Posts einzugehen. Damit könntest du Leuten wie dir eine Stimme verleihen ohne andere zu übertönen.
    Und versteh mich nicht falsch: Deine Stimme sollte gehört werden und man sollte mehr Fokus auf stärker erkrankte Leute legen! Unter diesem Artikel finde ich es aber unangemessen. Es lenkt von dem Problem, was die Autorin ansprechen wollte ab.

    Liebe Grüße
    Lela